Die neue GOÄ oder GOÄneu bezeichnet den gemeinsamen Entwurf von Ärzteschaft, privaten Krankenversicherungen und Beihilfeträgern zur Reform der Gebührenordnung für Ärzte. Aktuell ist dieser Entwurf im Prozess der Übergabe an das Bundesministerium für Gesundheit.
Ziel des Reformvorschlags ist es, die von Leistungserbringern und Kostenträgern gemeinsam kritisierten Schwächen der derzeit geltenden GOÄ von 1996 zu beheben. Vorrangig geht es dabei vor allem um die Fähigkeit der Gebührenordnung, den medizinischen Fortschritt nachhaltig zu berücksichtigen und so eine für alle Beteiligte transparente und rechtssichere Abrechnungsgrundlage bereitzustellen. Gleichzeitig soll durch die neue GOÄ der veränderten Kostenstruktur im ambulanten und stationären Bereich Rechnung getragen sowie die sprechende Medizin gestärkt werden.
Die Gebührenordnung für Ärzte ist, ähnlich wie die Gebührenordnungen anderer freier Berufe wie z.B. Rechtsanwälten oder Architekten, eine Rechtsverordnung der Bundesregierung. Sie regelt die Entgelte für alle ärztlichen Tätigkeiten, soweit sie keine vertragsärztlichen Leistungen sind. Einerseits garantiert der gesetzliche Charakter der Gebührenordnung damit einen grundsätzlich fairen und langfristig verlässlichen Interessenausgleich. Andererseits kann sich genau dieser im Vergleich zum privatwirtschaftlichen Handeln sehr starre Rahmen zu einem großen Hemmschuh entwickeln, wenn sich – wie im medizinischen Umfeld – der Leistungsgegenstand schnell und tiefgreifend verändert.
Mit exakt dieser Problematik kämpft die aktuelle GOÄ von 1996 im Grunde schon seit der Jahrtausendwende. Da sich der Gesetzgeber nie in der Veranlassung sah, selber die Initiative zu ergreifen, oblag es der Ärzteschaft und der Versicherungswirtschaft, sich über die Konsequenzen aus den rasch fortschreitenden Veränderungen zu einigen.
Lange Zeit hat sich dieser Einigungsprozess vor allem als Suche nach Übergangslösungen dargestellt. Das gilt zum Beispiel für die Einführung von Analog-Ziffern, um durch die GOÄ nicht erfasste Leistungen abzubilden. Oder für die allmählich wachsende Verwendung höherer Steigerungssätze, da eine generelle Erhöhung des GOÄ-Punktwerts zum Ausgleich der Preissteigerungen nicht vermittelbar war.
Diese Situation begann sich erst Mitte der 2010er Jahre zu ändern mit dem Auftrag der Ärzteschaft an die BÄK zur Erarbeitung eines neuen GOÄ-Vorschlags mit der PKV und den Beihilfestellen. Über die Fertigstellung eines ersten, nicht-öffentlichen Entwurfs in 2022 und dem gemeinsam mit dem PVS Verband durchgeführten Testbetrieb dauert es dann bis zum Herbst 2024, bevor die BÄK ihren mit einer konsentierten Preisliste versehenen Vorschlag zur Prüfung und Kommentierung an die einzelnen Verbände und Fachgesellschaften übergab.
Dr. Michael Klinger, PVS Verband: "Durch uns vorgenommene Vergleichsberechnungen von GOÄalt zu GOÄneu belegen, dass der vorliegende Entwurf die finanzielle Situation von Ärztinnen und Ärzten grundsätzlich verbessern und gleichzeitig dem Ziel eines transparenten und modernen Leistungskataloges gerecht werden wird." |
Mit der Verabschiedung des finalen Entwurfs am 29. Mai 2025 auf dem 129. Deutschen Ärztetag haben die Reformanstrengungen rund um die Gebührenordnung für Ärzte jetzt den ersten, vorentscheidenden Meilenstein erreicht. Bis zum endgültigen Abschluss durch den Gesetzgeber nimmt der Entwurf die Zustimmung einer großen Mehrheit der Ärzteschaft (212 Ja-Stimmen zu 19 Nein-Stimmen) mit auf den weiteren Weg.
Grundsatz und Aufbau der GOÄ bleiben im Wesentlichen gleich. Durch die Aufnahme neuer Leistungen und differenzierter Gesprächsleistungen hat sich die Anzahl der Ziffern um ca. ein Drittel erhöht (im derzeitigen Entwurf sind es 5511).
Es gibt keinen Punktwert, keine Punktzahl, kein Gebührenrahmen, sondern einen Festbetrag je Ziffer, der dem neuen Einfachsatz entspricht
Möglichkeit zur Steigerungen gibt es nur noch in wenigen Ausnahmefällen, dafür jedoch zahlreiche Zuschläge für Zusatzleistungen und Aufwände
Keine Einschränkung der Abrechnung von Beratungen und Untersuchungen im Behandlungsfall neben anderen Leistungen
Analogabrechnung, Verlangensleistung und Früherkennungsleistungen müssen speziell gekennzeichnet werden durch Voranstellen eines Buchstabens ( A, V, F)
Bei operativen Eingriffen sowie interventionellen Maßnahmen muss zusätzlich die Prozedur als OPS-Code oder in Schriftform angegeben werden
Durch Gründung einer GOÄ-Kommission sollen zweitnahe Anpassungen und Analogempfehlungen ermöglicht werden
Der Paragraphenteil (1 – 12), wenn auch in teils veränderter und konkretisierter Form
das Einzelleistungsprinzip, wobei viele Leistungen mit fakultativen Leistungen versehen sind
die Möglichkeit zur Analogabrechnung für neuen Leistungen nach 2018
die Möglichkeit zum Abschluss einer Honorarvereinbarung
Die GOÄneu hat sowohl in ihrer Entwurfsphase als auch nach dem Votum auf den Ärztetag immer wieder deutliche Gegenstimmen hervorgerufen. Häufige Kritik gilt etwa dem Wegfall von Steigerungsmöglichkeiten und Analogbewertungen. Oft wird auch auf die Gefahr hingewiesen, dass e mit der Einrichtung einer Ständigen Kommission auch im privatärztlichen Bereich auf Dauer zu einer Budgetierung kommen könne.
Dr. Christof Mittmann, PVS Verband: " Der Vorschlag einzelner Arztgruppen, anstelle einer Novellierung lediglich die Steigerungssätze oder den Punktwert nach oben anzupassen, würde diese Situation lediglich verschärfen und somit das Grundelement des freien Arztberufes gefährden." |
Daneben gilt der Widerspruch vor allem der Preisgestaltung für einzelne Leistungen. Klar ist hier, dass weder die Diskussion mit dem GOÄneu Stand heute zu Ende ist, noch die Konsequenzen in der Praxis bereits bis ins letzte Detail voraussehbar sind. Es braucht deshalb von allen Beteiligten die Bereitschaft und Fähigkeit, im Bedarfsfall schnell auf grobe Unstimmigkeit zu reagieren.
Für Ärztinnen und Ärzte ist die Novellierung der GOÄ derzeit nicht mehr aber auch nicht weniger als ein Blick in die Zukunft. Denn vor dem möglichen Inkrafttreten der GOÄneu steht noch der lange Weg durch die gesetzgebenden Institutionen an:
Übergabe des konsentierten Entwurfs der GOÄ an das BMG
BMG kündigt die Prüfung der GOÄ neu an
BMG beauftragt z.B. das Institut IGES, den GOÄ-Entwurf zu prüfen (inhaltlich und hinsichtlich der Bewertung der Leistung und die voraussichtlichen finanziellen Auswirkungen bei Bund, Land und Kommunen bzw. deren volkswirtschaftliche Folgen)
BMG legt den Verordnungsentwurf und Referentenentwurf für das Begleitgesetz dem Kabinett vor
Kabinettsbeschluss zur GOÄ neu liegt vor
Lesung des Gesetzentwurfes im Bundestag
BMG leitet Kabinettsentwurf und Verordnung an den Bundesrat
Und 3. Lesung des Gesetzentwurfes im Bundestag
Zustimmung des Bundesrates zum Gesetzentwurf und zur Verordnung
Übergansphase bis zum Inkrafttreten
Inkrafttreten der GOÄ neu
Neben dem formal-gesetzlichen Prozess erfordert der konkrete Start der GOÄneu auch eine erhebliche technische Vorlaufphase. Heutige Abrechnungssysteme – unabhängig davon, welche Teile in der Praxisverwaltungssoftware oder bei einem Abrechnungsdienstleister wie der PVS Südwest laufen – müssen grundlegend überarbeitet bzw. neu entwickelt werden. Dazu kommen noch die Zeiten für die notwendigerweise umfangreichen Praxistests und die Auslieferung/Installation neuer Software zur Leistungsdokumentation vor Ort.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich für Ärztinnen und Ärzte zum jetzigen Zeitpunkt vor allem, die Entwicklung aufmerksam, aber gelassen zu verfolgen. Unser Tipp dazu: Der Newsletter der PVS Südwest hält Sie in Bezug auf die weitere Entwicklung rund um die GOÄneu immer auf dem Laufenden: Mit professionellem Hintergrund, direkter Nähe zum Geschehen und pragmatischem Zuschnitt auf den aktuellen Bedarf in der Praxis.
Ansonsten gilt die Devise: Es wird noch genug Aufwand und Engagement des gesamten Teams erfordern, um vor der Umstellung auf die GOÄneu das veränderte Regelwerk zu verstehen und die Behandlungs- und Dokumentationsprozesse darauf anzupassen. Dieser Zeitpunkt ist aber heute noch nicht gekommen. Wenn es soweit ist, stehen wir natürlich vollumfänglich an Ihrer Seite. Darauf können Sie sich verlassen.
Weitere Informationen zur Anwendung der GOÄ in der Privatabrechnung finden Sie auf unserer Website.