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BGH-Urteil: Pauschalabrechung für ärztliche Leistungen nicht zulässig

Geschrieben von PVS Südwest | 5.8.2024

Alle ärztlichen Leistungen, auch wenn diese von angestellten Ärztinnen und Ärzten erbracht werden, müssen nach GOÄ gegenüber einem Patienten abgerechnet werden, unabhängig davon, ob eine juristischen Person als Vertragspartner fungiert.

BGH entscheidet über Anwendbarkeit der GOÄ für jur. Personen (III ZR 38/23 - Urt. vom 04.04.2024) bei ambulanten ärztlichen Behandlungen

 

Ob die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auch bei ambulanten Leistungen anzuwenden ist, die von dem bei einer juristischen Person angestellten Arzt erbracht werden, war in Rechtsprechung und Literatur bis vor kurzem umstritten.

Das BGH hat nun die Pauschalabrechnung ärztlicher Leistungen generell für unzulässig erklärt. Es entschied zugunsten eines Patienten, dass ein Universitätsklinikum ambulante Bestrahlungen nicht auf Basis einer Pauschalpreisvereinbarung hätte abrechnen dürfen. Entscheidend sei, dass das Klinikum eine ärztliche Leistung abgerechnet habe, was zwingend die Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zur Folge hat.

Im konkreten Fall hatte ein Krankenhaus eine Vereinbarung zur Pauschalabrechnung in Höhe von 10.633 € für ein neuartiges Verfahren zur Tumorbehandlung getroffen. Nach 5 Behandlungen forderte der Patient, ihm eine ordnungsgemäße Rechnung nach GOÄ zu stellen. Das Klinikum rechnete die Leistungen des behandelnden angestellten Arztes auf Basis der Pauschalvereinbarung ab. Der Patient zahlte zunächst, verlangte sein Geld später zurück und hatte damit bis hin zum BGH Erfolg.

Auch Krankenhausträger oder MVZ müssen nach GOÄ abrechnen

Der BGH hat in dem Urteil vom 04.04.2024 den langjährigen Streit und die damit verbundene Rechtsunsicherheit beigelegt. Bis dahin sich widersprechende Urteile zur Pauschalabrechnung ärztlicher Leistungen verschiedener Gerichte wurden obsolet.

Die GOÄ gilt ab sofort auch für juristische Personen wie Krankenhäuser oder ambulante Leistungserbringer mit dort tätigen, angestellten Ärzten. Die GOÄ findet nunmehr Anwendung, auch wenn der Behandlungsvertrag nicht mit Ärzten, sondern einer juristischen Person geschlossen wurde.

Nur durch die Anwendung der GOÄ kann laut Bundesgerichtshof ein angemessener Interessenausgleich zwischen Leistungserbringer und dem zur Zahlung Verpflichteten herbeigeführt werden. Die häufig gängige Praxis, angemessen kalkulierte pauschalierte Rechnungen zu stellen, ist nicht mehr möglich.

Diese Regelung gilt uneingeschränkt, sofern durch Bundesgesetz nicht gemäß EBM, UV-GOÄ, JVEG oder DRG abgerechnet werden muss.

Weitere Fragen zum BGH-Urteil über die Pauschalabrechnung

Gilt diese Regelungen für alle Rechts-und Gesellschaftsformen?

Die Entscheidung des BGH ist bedeutsam für alle juristischen Personen, hier sind im Gesundheitswesen beispielhaft zu nennen:

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung

  • Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung

  • Genossenschaften

  • Eingetragene Vereine

  • Aktiengesellschaften

  • Körperschaften des öffentlichen Rechts

  • Partnerschaftsgesellschaften etc.

Wie ist die Rechtslage, wenn reine Wunschleistungen der Patienten in Form ärztlicher Leistungen von juristischen Personen (s.o.) in Rechnung gestellt werden?

Auch hier ist die GOÄ als Rechtsgrundlage für die Berechnung heranzuziehen, die bisherige Praxis der Pauschalierung ohne Bezug zur GOÄ ist seit dem 4.04. 24 unzulässig.

Muss mit dem Patienten ein schriftlicher Behandlungsvertrag geschlossen werden?

Ein schriftlicher Behandlungsvertrag dient dem Beweiszweck. Indem schriftlich festgehalten wird, dass der Patient sich in privatärztliche Behandlung begeben hat und darüber aufgeklärt wurde, dass eventuell eine Erstattung durch etwaige Erstattungsstellen nicht erfolgen wird, kann sich der Patient der Bezahlung schlecht mit dem Hinweis entziehen, er habe nicht gewusst, dass er als Selbstzahler behandelt würde. Und: mittlerweile wurde die Verpflichtung des Arztes zur Aufklärung des Patienten im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (Patientenrechtegesetz) - durch einen schriftlichen Behandlungsvertrag kann der Beweis angetreten werden, dass der Patient über einen eventuell auf ihn zukommenden Selbstbehalt aufgeklärt wurde.

Kann eine von der GOÄ abweichende Vergütung mit dem Patienten geschlossen werden?

Gemäß § 2 der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) darf der Arzt mit einem Wahlleistungs-/Privatpatienten eine Honorarvereinbarung schließen. Der Verordnungsgeber hat so einen Spielraum für individuelle vertragliche Regelungen zwischen Arzt und Patient eingeräumt. Im Rahmen einer Honorarvereinbarung kann allerdings nur der Steigerungsfaktor abweichend vereinbart werden. Die Festlegung eines Pauschalhonorars, einer abweichenden Punktzahl oder eines abweichenden Punktwerts ist unzulässig. Die Vereinbarung ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem (im Regelfall der Patient) vor Erbringung der Leistung des Arztes schriftlich zu treffen. So besteht für den Patienten als Vertragspartner die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, ob er den sich aus den Gebührenziffern und dem Faktor ergebenden Rechnungsbetrag akzeptiert und in die Behandlung zu den vorgegebenen Bedingungen eintritt.

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Anhang: Zusammenfassung des BGH-Urteils

Der BGH hat in einem Urteil (04.04.2024, III ZR 38/23) eine seit langem unterschiedlich durch Gerichte sowie Literatur beurteilte Streitfrage entschieden.

Mit einem Patienten wurde vor Durchführung einer Cyberknife-Behandlung eine Vereinbarung über die Zahlung eines pauschalen Honorars getroffen; es wurde also nicht die GOÄ, sondern ein Pauschalhonorar zugrunde gelegt. Damit sei nach Auffassung des BGH die Vereinbarung nichtig, da sie nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 bzw. 2 GOÄ (Honorarvereinbarung) entspreche; denn die GOÄ sei nicht zugunsten eines Pauschalhonorars abdingbar.

Der in § 1 Abs. 1 GOÄ beschriebene Anwendungsbereich der Norm setze nicht voraus, dass Anspruchsteller und Vertragspartner ein Arzt sei, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht würden. Die GOÄ finde daher auch Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, z.B. einem Krankenhausträger, abgeschlossen, die Leistungen aber durch Ärzte erbracht werde, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses tätig würden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingingen.

Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass nach dem weit gefassten Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ die Verordnung auf alle "beruflichen Leistungen der Ärzte" anwendbar sei, ohne dass zwischen Leistungen differenziert werde, die aufgrund eines Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses ohne eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht würden. Alleine dieses weite Verständnis des Anwendungsbereiches der GOÄ werde deren Sinn und Zweck gerecht, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Leistungserbringer und dem, der zur Zahlung verpflichtet sei, zu schaffen. Dieses gelte unabhängig davon, ob der Arzt oder das Krankenhaus/ MVZ Vertragspartner des Patienten geworden sei. Es solle nicht der Fall unreguliert durch die GOÄ bleiben, in dem eine juristische Person zur Erbringung einer (ärztlichen) Leistung verpflichtet sei. Das mit dem Erlass der GOÄ verfolgte gesetzgeberische Ziel, ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht zu etablieren, solle nicht durch Zwischenschaltung einer juristischen Person umgangen werden können.

Lediglich Vereinbarungen zwischen Krankenhausträgern und niedergelassenen Ärzten über deren Zuziehung im Rahmen allgemeiner Krankenhausleistungen unterlägen nicht den Vorschriften der GOÄ, da diese Leistungen nicht direkt dem Patienten geschuldet seien und diese konkreten Leistungen eines hinzugezogenen Arztes nicht unmittelbar dem Patienten in Rechnung gestellt würden (vgl. BGH vom 12.11.2009, III ZR 110/09).